Umsetzung der Nationalen Wasserstrategie in Bergheim — läuft da was?
Laut BUND-Studie ist der Rhein-Erft-Kreis von akutem und strukturellem “Grundwassserstress” betroffen. — “Offenbar ist der Leidendruck noch nicht groß genug.”
Im Juni 2025 legte der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) eine Studie vor: “Grundwasserstress in Deutschland”, erarbeitet vom Institut für sozial-ökologische Forschung. Im Vorwort heißt es:
Deutschland verliert Wasser. Schon jetzt wird mehr entnommen, als sich nachbildet. […] Der Wasserkreislauf der Erde gerät durch Übernutzung und Verschmutzung sowie durch die Zerstörung intakter Landschaften immer mehr aus dem Gleichgewicht. Dürreperioden lassen in vielen Gegenden die Grundwasserstände sinken, während der Wasserbedarf von Landwirtschaft und Industrie steigt. Wassermanagement und -politik sind nicht gut vorbereitet: […].
Ziel der Studie sei es, “regionalen Grundwasserstress in Deutschland zu identifizieren. Dabei wird zwischen strukturellem und akutem Grundwasserstress unterschieden. Struktureller Grundwasserstress wird angenommen, wenn die Grundwasserentnahmen 20 % der langjährigen Grundwasserneubildung übersteigen. Akuter Grundwasserstress wird durch rezente, signifikante Absenkungen der Grundwasserstände identifiziert.”
Auf Seite 24 heißt es:
In der Gesamtbetrachtung ergibt sich ein Bild, in dem 94 Landkreise von akutem Grundwasserstress betroffen sind und für 141 Landkreise struktureller Grundwasserstress festgestellt wurde.
Wie man auf den beiden Karten auf Seite 23 erkennen kann (siehe auch im Anhang unten), ist der Rhein-Erft-Kreis sowohl von strukturellem als auch von akutem “Grundwasserstress” betroffen.
Die Süddeutsche Zeitung schrieb am 20. Juni 2025 (“Wasserverbrauch in Deutschland. Ran an die großen Schlucker”):
Im Ranking der Krisen, die Regierungen, Parlamente und Stammtische beschäftigen, geht der sich langsam, aber sicher abzeichnende Wassernotstand unter. […] Dabei weiß man längst, was man tun müsste. 78 Vorschläge umfasst die vor mehr als zwei Jahren von der Bundesregierung verabschiedete Nationale Wasserstrategie. Den Flächenfraß beenden, in Wassertechnik investieren. Schwammstädte schaffen, also Städte so bauen, dass sie Wasser aufnehmen, wenn viel da ist, und es zeitverzögert wieder abgeben können, wenn es benötigt wird. Und auf dem Land in der freien Flur Sickerflächen für Regenwasser schaffen, Gewässer ertüchtigen, Regenrückhaltesysteme bauen und endlich vernünftiges Regenwassermanagement betreiben – kaum etwas davon wurde oder wird umgesetzt. Offenbar ist der Leidensdruck noch nicht groß genug.
Die erwähnte Nationale Wasserstrategie, 2023 unter der damaligen Ministerin Steffi Lemke erarbeitet, findet sich auf den Seiten des Bundesumweltministeriums, die Kurzfassung hier.
Zu den 78 Maßnahmen des in der Strategie enthaltenen Aktionsprogramms Wasser gehören unter anderem:
- “Versiegelung reduzieren – Entsiegelungsprojekte stärken”,
- “Flächenbedarfe für Auenentwicklung und Gewässerentwicklungskorridore
ermitteln und planerisch verankern”, - “Naturnahe Niederschlagswasserbewirtschaftung”,
- “Anforderungen an die Niederschlagswasserbeseitigung an Straßen” und
- “Leitbild der ‘wassersensiblen Stadt’ weiterentwickeln und in Umsetzung bringen”.
Sucht man auf der Homepage der Stadt Bergheim nach “Wasserstrategie”, so findet sich: nichts. Das Stichwort “Wasser” liefert diverse Ergebnisse, manche davon haben etwas mit Wassermanagement zu tun, zum Beispiel: “Starkregen: Definition, Informationen zum Kanalnetz in Bergheim, Starkregengefahrenkarte”, “Renaturierungsmaßnahme des Erftverbandes erhält Auszeichnung”.
Unter “Hitzeaktion 2025” heißt es:
Diese Ansätze sind eingebettet in eine strategische Gesamtlinie: Klimaanpassung wird zunehmend als zentrale Querschnittsaufgabe in der Stadtverwaltung verstanden. Ziel ist es, klimabezogene Aspekte systematisch in Planungs- und Entscheidungsprozesse zu integrieren – insbesondere in der Bauleitplanung sowie in weiteren relevanten Fachbereichen mit großer Wirkung auf die städtische Entwicklung.
Sucht man nach “Klimaanpassung”, ergeben sich lediglich drei Treffer: “‘Jetzt machen WIR’ – Klimaanpassung. Die interkommunale Klimakampagne des Rhein-Erft-Kreises geht in die dritte Runde!”, “Hitzeaktion 2025” und “Starkregen”. Für eine “strategische Gesamtlinie” und “zentrale Querschnittsaufgabe” etwas wenig. Laut Auskunft des Klimaschutzmanagers der Stadt Bergheim wurden folgende Projekte zur Klimaanpassung angefangen: Hitze-Aktion-Plan, Maßnahmen zur Förderung klimaresilienter Grünflächen, Förderprogramm zur Entsiegelung von Schottergärten. Die Veröffentlichung einer Starkregengefahrenkarte stehe bevor; eine verständliche und öffentlich einsehbare Übersicht zur Umsetzung befinde sich in Bearbeitung.
Sucht man im Ratsinformationsdienst für Bergheim nach “Wasserstrategie”, so findet sich ebenfalls: nichts.
Ich sag mal so: Da ist noch Luft nach oben, was die systematische Umsetzung der Nationalen Wasserstrategie in Bergheim angeht.
Das geplante Großrechenzentrum von Microsoft in Bergheim scheint einem nachhaltigen Wassermanagement sogar entgegenzuwirken. Als der Stadtrat im April den Bebauungsplan für das Rechenzentrum beschloss (laut Niederschrift mit 39 Ja-Stimmen, einer Gegenstimme und keiner Enthaltung), sagte Bergheims Bürgermeister Volker Mießeler: “Die Ansiedlung des Rechenzentrums ist für Bergheim von außergewöhnlicher Bedeutung und ist der Gamechanger im Transformationsprozess des Rheinischen Reviers ‘von der Kohle zur KI’. Wir spüren bereits jetzt die enorme Sogwirkung in der Nachfrage nach Gewerbeflächen” (laut Mitteilung der Stadt vom 14.4.2025). Was der BUND (Landesverband NRW) davon hält, juckt ihn offenbar wenig (“Stoppt den Flächenfraß im Rheinischen Revier”):
Beim Strukturwandel im Rheinischen Revier läuft einiges falsch. Bei neuen Industrieansiedlungen spielen trotz aller Lippenbekenntnisse die Nachhaltigkeitskriterien bislang nur eine untergeordnete Rolle. Ein Beispiel dafür sind die von Microsoft geplanten Rechenzentren. […] Auf kommunaler und regionaler Ebene werden neue Gewerbegebiete geplant, als gäbe es kein Morgen. […] Anstatt eine bedarfsgerechte Planung vorzulegen und vorzugsweise vorbelastete oder durch den Kohleausstieg freiwerdende Flächen zu nutzen, soll großflächig der bestehende Freiraum zu Gewerbegebieten umgewandelt werden. Das geht zu Lasten der Bodenfunktionen und der Biodiversität. Wie so die Anpassung an den Klimawandel gelingen soll, bleibt fraglich.
Tja, so läuft das in Bergheim. (Welche Partei stellt seit 20 Jahren den Bürgermeister bzw. die Bürgermeisterin? Und: Wie viele Mitglieder der Grünen haben im Stadtrat für den Microsoft-Bebauungsplan gestimmt?)
Anhang
Aus der Studie “Grundwasserstress in Deutschland”, Abbildung 8: “Landkreise und kreisfreie Städte, die unter strukturellem und/oder akutem Grundwasserstress leiden.”, Seite 23