Transparente und gerechte Vergabe von Kita-Plätzen in Bergheim — läuft da was?
“Ich möchte das nicht im öffentlichen Teil machen, weil das immer wieder zu Diskussionen führt.”
Nach welchem Verfahren werden in Bergheim die Plätze in städtischen Kindertagesstätten (Kitas) vergeben?
Wie machen andere Gemeinden das?
In manchen anderen Gemeinden gibt es dafür festgelegte, einheitliche und öffentlich zugängliche (also transparente) Kriterien. Zum Beispiel:
- Stadt Kleve: “Aufnahmekriterien für die städtischen Kindertageseinrichtungen”,
- Stadt Pulheim: “Vergabekriterien für Kita-Plätze in städtischen Einrichtungen”,
- Aufnahmekriterien für die Tageseinrichtungen für Kinder in Trägerschaft der Stadt Leverkusen, siehe auch TOP “Umsetzung der ‘Aufnahmekriterien für die Tageseinrichtungen für Kinder in Trägerschaft der Stadt Leverkusen'”,
- Stadt Erftstadt: “Platzvergabekriterien für die städtischen Kindertageseinrichtungen in Erftstadt” (aus einer Mitteilung der Stadtverwaltung Erftstadt: “Die Stadt Erftstadt hat ein neues Punktesystem eingeführt, um bei der Vergabe von Plätzen in städtischen Kindertageseinrichtungen größtmögliche Transparenz und Fairness zu gewährleisten.”)
- Stuttgart: “Vergabekriterien, Punktesystem und beschäftigungsabhängiger Betreuungsumfang”,
- Stadt Tübingen: “Platzvergabekriterien Kindertageseinrichtungen”.
Über solche Kriterien kann der zuständige Ausschuss des jeweiligen Stadtrates entscheiden, zum Beispiel:
- Kinder- und Jugendausschuss des Aachener Stadtrates: Entscheidungsvorlage “Vergabekriterien für Kindertagesstätten in Trägerschaft der Stadt Aachen”,
- Leverkusen: Sitzung des Kinder- und Jugendhilfeausschusses, 14.06.2018, TOP 9,
- Tübingen: Beratungsvorlage “Neufassung der Platzvergabekriterien für die Kindertageseinrichtungen”,
- Pulheim: Sitzung des Jugendhilfeausschusses am 12.09.2024, Kriterien zur Kita-Platz-Vergabe.
Wie sieht es in Bergheim aus?
Auf der Homepage der Stadt, insbesondere auf der Seite “Kindertageseinrichtungen”, habe ich keine Information über Vergabekriterien für städtische Kita-Plätze gefunden. Da bin ich nicht der Einzige: Am 3. April 2025 tagte der Ausschuss für Kinder, Jugend und Familie (Tagesordnung hier). Gianna Weinsheimer (MDW) fragte unter TOP 9.2 (mündliche Fragen, Audiomitschnitt hier): “Gibt es da einheitliche Kritierien [für die Vergabe von Kita-Betreuungsplätzen, egal ob städtisch oder frei]?”
Die Leiterin des Fachbereichs Jugend und Bildung bei der Stadtverwaltung Bergheim, Hilke Huge, antwortete:
Es gibt keine festgelegten einheitlichen Kriterien hinsichtlich der Bepunktung. Wir haben uns in der AG 78 Kita […] darauf verständigt, dass wir alle schon in die gleiche Richtung gehen, was die Kriterien angeht.
Nachfrage von Gianna Weinsheimer: “Könnten die städtischen Kitas das mal offenlegen, wie die Bepunktung da wäre?” Antwort der Fachbereichsleiterin:
Ich möchte das nicht im öffentlichen Teil auf jeden Fall machen, weil das immer wieder zu Diskussionen führt. […] Sehr gerne könnten wir das zur Niederschrift im nicht-öffentlichen Teil geben.
Für die Sitzung des Ausschusses für Kinder, Jugend und Familie am 13. Mai 2025 stellte die Fraktion MDW/Die Linke unter Vorsitz von Achim Brauer einen Antrag (vom 11. April) mit folgenden Beschlussvorschlag (Vorgang 183/2025):
Der Ausschuss beauftragt die Stadtverwaltung, innerhalb von drei Monaten Kriterien für die Vergabe von Betreuungsplätzen zu erarbeiten, die für alle städtischen Kindertagesstätten einheitlich gelten.
Die Kriterien haben das Kindeswohl, die Dringlichkeit der Förderung des Kindes (zum Beispiel Spracherwerb), das Alter des Kindes, die Berufstätigkeit der Eltern, die Nähe des Wohnorts zur Kita sowie die familiäre Situation (zum Beispiel Vorhandensein eines Geschwisterkindes, das bereits eine Kita besucht, gesundheitliche Einschränkungen eines Elternteils) zu berücksichtigen.
Die Kriterien sind nach ihrer Erarbeitung dem Ausschuss zur Diskussion und zur Abstimmung vorzustellen.
Die Stadtverwaltung schrieb in ihrer Stellungnahme (Vorlage 183/2025):
Die Verwaltung hat bereits seit Einführung des Kita-Navigators einheitliche Kriterien für die Vergabe von Betreuungsplätzen in den städtischen Kindertagesstätten erarbeitet und angewendet.
Diese werden jährlich bei den Vorbereitungen des Platzvergabeverfahrens für das neue Kitajahr durch die zuständige Fachabteilung überprüft und gegebenenfalls angepasst.
Die Kriterien wurden dem Ausschuss für Kinder, Jugend und Familie (AfKJF) zuletzt in der Niederschrift zu TOP 1 „Einwohnerfragestunde gem. § 17 der Geschäftsordnung des Rates“ der Sitzung vom 09.03.2023 dargelegt.
Die Stadtverwaltung veröffentlichte am selben Ort zudem eine Liste der Kriterien, die “im aktuell abgeschlossenen Platzvergabeverfahren für das Kitajahr 2025/2026” angeblich angewandt wurden (siehe Anhang 1). Eine Gewichtung dieser Kriterien, wie andere Kommunen sie vornehmen, wurde nicht mitgeteilt.
In der erwähnten Niederschrift der Sitzung des Kinderausschusses vom 9. März 2023 steht zu TOP 1 (“Einwohnerfragestunde”):
Herr XXX weist darauf hin, dass die Platzvergabe über den Kita-Navigator nach seiner Auffassung für die Eltern nicht hinreichend transparent ist und fragt, wie die Platzvergabe mittels des Kita-Navigators erfolgt und warum es für die Eltern nicht nachvollziehbar ist, wie die im Rahmen der Anmeldung eingegebenen Angaben letztlich im Hinblick auf den Erhalt eines Kita-Platzes gewertet werden. […]
Die Verwaltung kann lediglich für die 13 in Trägerschaft der Kreisstadt Bergheim betriebenen Kindertageseinrichtungen die Offenlegung der für die Priorisierung herangezogenen Kriterien zusichern. Dies wird im Rahmen der Niederschrift erfolgen.
Die Niederschrift enthält, wie angekündigt, eine Darstellung der mit Punkten gewichteten Kriterien (siehe Anhang 2).
Für die Sitzung des Kinderausschuss am 13. Mai 2025 stellte die Fraktion MDW/Die Linke einen ergänzenden Antrag (vom 8. Mai 2025), in dem ein konkreter Vorschlag gemacht wird, nach welchen Kriterien einschließlich ihrer Gewichtung städtische Kita-Plätze vergeben werden sollten (siehe Anhang 3).
Am 13. Mai 2025 ging es unter TOP 9 im Ausschuss für Kinder, Jugend und Familie wie beantragt um die “Erarbeitung von einheitlichen und gerechten Vergabekriterien für städtische Kita-Plätze”. Die gesamte Beratung lässt sich hier nachhören. Aus der Niederschrift der Beratung:
Frau Lehmann-Pedyna [Dezernentin der Stadtverwaltung, A.R.] bekräftigt die Bedeutung der Transparenz bei der Vergabe von Kita-Plätzen. Sie stellt dar, dass die Stadt Bergheim selbst Kita-Träger ist und es in diesem Zusammenhang sehr wichtig ist, bei den Vergabekriterien auch über die entsprechende Trägerautonomie zu verfügen. […] Der Beschlussvorschlag der Fraktion „MDW! Die Linke“ kann auch aus rechtlchen Gründen nicht unterstützt werden. Frau Lehmann-Pedyna erklärt, dass bestimmte Aspekte des Beschlussvorschlags nicht rechtssicher sind. […] Herr Dr. Kösters sieht keinen aktuellen Handlungsbedarf […]. […] Frau Lehmann-Pedyna sichert zu, dass […] die Vergabekriterien in der kommenden Legislaturperiode im Ausschuss durch die Verwaltung erläutert werden.
Der Antrag der Fraktion MDW/Die Linke vom 8. Mai 2025 wurde einstimmig abgelehnt (der Antragsteller hatte in dem Ausschuss kein Stimmrecht). Über den Antrag vom 11. April 2025 wurde nicht abgestimmt.
Fazit (wenn ich das alles richtig verstanden habe): In manchen anderen Kommunen gibt es veröffentlichte Kriterien für die Vergabe städtischer Kita-Plätze. Über solche Kriterien hat der zuständige Ausschuss, also ein demokratisch legitimiertes Gremium, entschieden. In Bergheim scheint das nicht der Fall zu sein. 2023 wurden zwar Kriterien einschließlich Bepunktung auf Nachfrage in einer Niederschrift veröffentlicht, aber am 3. April 2025 antwortete die Stadtverwaltung auf die Frage, ob die bepunkteten Vergabekriterien offengelegt werden könnten: “Ich möchte das nicht im öffentlichen Teil auf jeden Fall machen, weil das immer wieder zu Diskussionen führt.” Die Kriterien können sich offenbar in jedem Jahr ändern, ohne dass darüber öffentlich beraten oder gar abgestimmt wird; die Stadtverwaltung Bergheim behält nämlich sich vor, die Kriterien in jedem Jahr nach eigenem Gutdünken anzupassen.
Tja, so läuft das in Bergheim. (Welche Partei stellt seit 20 Jahren den Bürgermeister bzw. die Bürgermeisterin?)
Anhang
1.) Aus der Vorlage 183/2025:
2.) Aus der Niederschrift der Ausschusssitzung vom 9. März 2023:
3.) Aus dem Antrag von MDW/Die Linke vom 8. Mai 2025:
Danke für die Dokumentation dieses Vorganges.
Transparenz könnte die Arbeit der Verwaltung nachvollziehbar und kontrollierbar machen. Das scheint bei einem für die Familien so wichtigen Bereich, wie die Fremdbetreuung des Kindes, nicht gewollt zu sein.
Da überlässt man es offensichtlich den Klüngeleien einflussreicher Personen, wer den Wunschplatz erhält.