Bekämpfung der Kinderarmut in Bergheim — läuft da was?

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“Wir wollen Ziele formulieren, die erreichbar sind und Zukunftsperspektive haben, zum Beispiel das Armutsrisiko zu reduzieren.”

Der Rhein-Erft-Kreis veröffentlichte 2021 erstmalig einen sogenanten Sozialbericht, den “Sozialbericht 2020. Eine kleinräumige Betrachtung des Rhein-Erft-Kreises”. Da stand zum Beispiel drin, dass in den Bergheimer Stadtteilen Ahe und Kenten die Arbeitslosigkeit bei 21,6 % bzw. 15,0 % lag. Der Anteil von Kindern (also Unter-15-Jährigen), deren Familien von Hartz IV lebten, lag dort bei 46,9 % bzw. 29,2 %. Diese Zahlen erregten Aufmerksamkeit.

Die Stadtverwaltung Bergheim erschuf die „Stabsstelle Gestaltung einer sozial nachhaltigen Entwicklung“ (siehe Vorlage 361/2021).

In der Rhein-Erft-Rundschau erschien am 25.4.2021 ein Interview mit dem Leiter dieser Stabsstelle, Tom Juschka, und dem damaligen Sozialdezernenten der Stadt Bergheim, Matthias Esser (“Neue Bergheimer Stabstelle will Kinderarmut bekämpfen”). Die Antworten, die diese beiden gaben, sind nichtssagend oder unverständlich. Auf die Frage, was seine Aufgabe als Leiter der neuen Stabsstelle sei, antwortete zum Beispiel Juschka:

Wir möchten die gesellschaftliche Entwicklung so stabilisieren, dass sie Schritt hält mit den geplanten Maßnahmen des Strukturwandels. Wenn es technologisch weitergeht und Ökonomie und Ökologie groß werden, müssen wir die Menschen mitnehmen.

???

Esser sagte an einer Stelle:

Wir brechen auf, wollen den Strukturwandel bewältigen und das mit einem Wandel verbinden. Wir wollen Bergheim für die Menschen besser aufstellen und gestalten.

Wie im Rheinischen Braunkohlerevier der Strukturwandel bewältigt wurde, das verriet übrigens vor einer Weile der Bürgermeister von Bedburg, Sascha Solbach: “Wir struggelten ja ein bisschen in einem Prozess, der daran krankte, … dass wir viel Papier beschrieben haben, dass wir uns unglaublich viele theoretische Gedanken gemacht hatten, aber wir haben ja nicht angefangen, die Wirtschaftsregion wirklich umzubauen. Wir haben darüber gesprochen, das zu tun, aber nichts gemacht.” (WDR 5, “Von der Kohle zur KI im Rheinischen Revier”, 6.12.2024, ab Minute 6’30”)

Noch einmal Juschka:

Wir holen verschiedene Leute an einen Tisch, um Konzepte zu erarbeiten, die zusammenwirken. […] Es geht um eine ganzheitliche Sicht: Warum sind bestimmte Dinge, wie sie sind? Ich möchte bei uns im Hause einen sogenannten Think Tank mit Leuten aus ganz verschiedenen Bereichen gründen. Dadurch erhoffen wir uns Zielformulierungen, die mehr sind als eine Zustandsbeschreibung. Es geht um realistische und überprüfbare Formulierungen.

Auf die Frage, ob er erste Ziele habe, antwortete der Leiter der Stabsstelle:

Wir wollen Ziele formulieren, die erreichbar sind und Zukunftsperspektive haben, zum Beispiel das Armutsrisiko zu reduzieren. Dann müssen wir schauen, wer dafür was machen kann. Natürlich ist das immer auch ein Experiment. Wie kriegen wir es hin, die Menschen aus den verschiedenen Bereichen für neue Wege zu gewinnen? Im Think Tank werden wir das diskutieren. Diese Diskussionen werden etwas dauern.

Das Interview erschien vor etwa vier Jahren. Was hat sich getan?

Nach einigem Suchen auf der Homepage der Stadt Bergheim und in den Dokumenten des Stadtrates weiß ich inzwischen:

Die gegründete Stabsstelle „Gestaltung einer sozial nachhaltigen Entwicklung“ ist aufgegangen in die Abteilung “Nachhaltige Sozialplanung”. In der Beschlussvorlage 7/2025 vom 11.3.2025 heißt es:

Zum 01.01.2023 wurde aus der Stabsstelle „Gestaltung einer sozial nachhaltigen Entwicklung“ die Abteilung „Nachhaltige Sozialplanung“ gegründet, mit dem Ziel einer sozial ausgewogenen Stadtentwicklung. Aufgrund des Struktur- und demografischen Wandels werden neue Problemlösungsstrategien benötigt.

Einen anderen Hinweis, dass diese Abteilung gegründet wurde, habe ich nicht gefunden. Wurde weder der Stadtrat noch der zuständige Ausschuss darüber rechtzeitig informiert?

Sucht man auf der Homepage der Stadt nach “nachhaltige Sozialplanung”, so ergeben sich fünf Treffer.

Hier findet man etwas zu “Unser Verständnis einer nachhaltigen Sozialplanung”:

Unser langfristiges Ziel ist eine nachhaltige Stadtentwicklung mit einer sozial ausgewogenen Stadtgesellschaft. Die Kreisstadt Bergheim soll ein attraktiver Wohnort sein, an dem sich jeder Mensch willkommen fühlt und sein Potenzial entfalten kann.

Der Strukturwandel und der demografische Wandel stellen uns dabei vor neue Herausforderungen, die besondere Problemlösungsstrategien verlangen. Eine zukunftsfähige Gesellschaft hinterfragt alte Selbstverständlichkeiten und denkt und erprobt neue Wege. […]

Außer diesem Blablabla erfährt man auf dieser Seite nur, dass Tom Juschka der Ableilungsleiter ist und dass zwei weitere Personen im “Projektmanagement” tätig sind. Was man nicht erfährt:

  • Welche Projekte werden gemanagt?
  • Welche Probleme und “Problemlösungsstrategien” gibt es?
  • Welche “neuen Wege” werden erprobt?
  • Was ist aus dem “Think Tank mit Leuten aus ganz verschiedenen Bereichen” geworden, wenn er überhaupt gegründet worden ist?
  • Welche Ziele sind formuliert worden? Welche davon sind erreicht worden? (Zur Erinnerung: “Dadurch erhoffen wir uns Zielformulierungen, die mehr sind als eine Zustandsbeschreibung. Es geht um realistische und überprüfbare Formulierungen. […] Wir wollen Ziele formulieren, die erreichbar sind und Zukunftsperspektive haben, zum Beispiel das Armutsrisiko zu reduzieren.”)

Es findet sich im Übrigen keinerlei Hinweis auf den Sozialbericht 2020. Auch dass es inzwischen einen Sozialbericht 2023 gibt, erfährt man nicht.

Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass zu den Treffern bei der Suche “nachhaltige Sozialplanung” folgendes gehört:

Will die Stadtverwaltung so systematisch und nachhaltig (Kinder-)Armut bekämpfen? — Traurig. Aber so läuft das in Bergheim. (Welche Partei stellt seit 20 Jahren den Bürgermeister bzw. die Bürgermeisterin?)

PS:
1.) Machen ist wie wollen — nur krasser.
2.) Gegen Armut hilft Geld (siehe “Armutsbericht 2020” des Paritätischen).

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